Anforderungen an die Trocknungstechnik heute

Branchenübergreifende Forderungen an die Trocknungstechnik lassen sich neben der trivialen Forderung nach Feuchteentzug nur bei der Erzeugung gleichbleibender nachhaltiger Produktqualität und den administrativen Auflagen hinsichtlich Energieeinsparung (CO2- Reduzierung), Umweltverträglichkeit und Sicherheit beim Betrieb der Anlagen erkennen.

Qualitätssicherung in der Trocknung

Ein generelles Kriterium ist die Qualitätskonstanz, mit der getrocknete Produkte an den Endverbraucher abgegeben werden müssen. Der hohe Automatisierungsgrad der weiterverarbeitenden Industrie verlangt konstante Produkteigenschaften, die den Produktionsprozess über lange Zeit störungsfrei ablaufen lassen. Eine Fülle von Produktparametern müssen dabei über große Liefermengen hinweg in engen Toleranzgrenzen gehalten werden (z.B. Restfeuchte, Korngrößenverteilung, Rieselfähigkeit, Schüttdichte, Wirkstoffgehalt, Redispergierbarkeit). Die Konsequenz für die Betreiber von Trockenstrecken besteht darin, den Prozess beherrschen zu müssen und empirisches Trial and Error – Vorgehen weitgehend auszuschließen. Die Beherrschung des Trocknungsprozesses ist mit den oben geschilderten wissenschaftlichen Grundlagen und Werkzeugen heute in vielen Fällen durch Prozess-Simulation möglich. Die Modellierung von Trocknungsprozessen und deren Validierung in Versuchen erlauben es den Anlagenbetreibern an unzugänglichen Stellen „in den Prozess zu schauen“ (z.B. lange Drehrohre). Für gut zugängliche Bereiche ermöglicht die moderne Analysentechnik dem Anlagenbetreiber heute schon direkte in - Prozess - Kontrolle der wichtigen Produktparameter und steuernde Eingriffe in den Prozess. Für Batch - Trocknungsprozesse ist diese Prozesskontrolle aufgrund kontinuierlicher Änderung von Produkt- und Prozessparametern erheblich schwieriger. Durch modellgestützte Prozesssteuerung und -kontrolle ist zur Erreichung der Qualitätssicherung in Zukunft noch erhebliches Entwicklungspotential vorhanden. Modelle können dabei rigorose physikalische, aber auch neuronale Netze oder Fuzzy-Logic sein.

"Product Design" durch Trocknung

Da auch in den übrigen Grundoperationen der Feststoffverfahrenstechnik entsprechende Fortschritte in der Prozessbeherrschung gemacht wurden, verfügt das Product Design heute über ein reich gefülltes Arsenal an Methoden und Verfahren zur gezielten Produktgestaltung. Als Beispiel sei hier die Entwicklung der Wirbelschicht - Sprühgranulationstechnik genannt. Als Anfang der 80er Jahre Maßnahmen zum Umweltschutz immer stärker in die politische Diskussion gerieten und mit der TA - Luft 1986 in Gesetzesform gegossen wurde, hatte das in vielen Bereichen der chemischen Produktion die Nachfrage nach umweltverträglichen Verfahren zur Folge. Die Herstellung von staubarmen Produkten verlangte nach neuen Trocknungstechnologien, die nicht mehr gesundheitsgefährdende Pulver, sondern staubarme, gut handhabbare und abriebfeste Granulate erzeugen konnten (Bild 2). Der wirtschaftliche Zentrifugalzerstäubungs-Sprühtrockner wurde schnell verdrängt vom Druckdüsen - Sprühtrockner, dem Fluidized Spray Dryer (Bild 3, NIRO A/S) und der Wirbelschicht – Sprühgranulation (Bild 4, Bild 5). Letztere Entwicklung wurde intensiv industrie-intern (Bayer, BASF, SKET, Glatt) aber auch durch Hochschul-Forschung (TU Magdeburg) vorangetrieben (Mörl und Uhlemann [25]). Dieser Prozess eignet sich hervorragend für vielfältige Einsatzmöglichkeiten zur Trocknung, Granulation und Coating. Morphologie und Produkteigenschaften können bei diesen Trocknungsverfahren gezielt eingestellt werden. Hier wird es auch in Zukunft noch ein weites Feld von Entwicklungsmöglichkeiten geben. Verstärken werden sich auch die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Herstellung und Stabilisierung von Nano-Partikeln. Hier kann die Trocknungstechnik vor allem durch Gefriertrocknungsverfahren (z.B. Sprühgefriertrocknung) wesentliche Beiträge zur Stabilisierung der primären Nano - Strukturen leisten. Diese Technologien werden zunächst nur für wertvolle Produkte wirtschaftlich sein. Da nanoskalige Produkte aber häufig nur in sehr kleinen Mengen zur Erreichung der gewünschten Wirkung benötigt werden, ergeben sich auch in anderen Branchen außerhalb des Pharmabereichs wirtschaftliche Einsatzmöglichkeiten.

 
 

 Bild 2: typische Partikelmorphologie aus unterschiedlichen Herstellungsverfahren

 

Bild 3: FSD - 4 der NIRO A/S, Sprühtrockner mit integrierten Filtern und integriertem Fließbett

 

Bild 4: Kontinuierlicher Granulator mit interner Keimgut- und Kernproduktion, Gasverteiler rechteckig, Produktionsgröße (System „WSA“ Glatt Ingenieurtechnik Weimar)

Bild 5: Kontinuierlicher Granulator mit Zugabe von Keimen und Kernen von außen (System AGT, Glatt Ingenieurtechnik, Weimar)

 

Multi Purpose Trockner zur Verbesserung der Produktions-Flexibilität

In der chemischen Industrie ist aufgrund der Kostenstruktur in den hochentwickelten Ländern der Trend zu komplexen Vielzweckanlagen mit häufigem Produktwechsel und hoher Wertschöpfung zu beobachten. Diese Konzepte verlangen u.a. hochflexible Vielzwecktrockner, in denen nicht nur getrocknet sondern auch filtriert, gemischt, granuliert, gemahlen evtl. auch gecoated werden kann. Restentleerbarkeit, CIP/SIP-Fähigkeit, mechanische Produktbeanspruchung, GMP oder auch FDA-Approval und schnelle Produktumstellung sind wesentliche Kriterien für die Auswahl der Trockner. Der Markt reagiert z.Zt. mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bauarten, vorwiegend als Vakuum-Kontakttrockner ausgeführt. Apparate mit horizontaler oder vertikaler Welle konkurrieren mit Schräglage-Mischer-Trocknern, Kugel-, Konus oder Doppelkonus-Trocknern etc. Es ist zu erwarten, dass sich dieses unübersichtliche Angebot mit vielen nur schwer zu beurteilenden Individual-Lösungen für Detail-Probleme durch Mergers & Aquisitions und Insolvenzen auf wenige Modellvarianten reduzieren wird. Forschung und Entwicklung sind notwendig zur Systematisierung des Bedarfs- und der Leistungsbeiträge der unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien.

Steril und partikelarm Trocknen in der Pharmazeutischen Industrie

In der pharmazeutischen Produktion ist GMP und FDA-Zulassung (neuerdings nach FDA‘s 21 CFR part 11) das Maß aller Dinge. Der Dokumentationsaufwand für jeden Prozessschritt ist erheblich und drängt die verfahrens-/trocknungstechnischen Fragestellungen häufig in den Hintergrund. Die Notwendigkeit, Außeneinflüsse auf ein Minimum zu beschränken, führen in neuerer Zeit zu Containment-Systemen. Das gilt besonders für die Herstellung von Parenteralia. Ansonsten sind die gleichen Kriterien wie in der Produktion von Feinchemikalien anzuwenden.

Senken des Energieverbrauchs im Trocknungsschritt

Spielt der Energieverbrauch in der Produktion von Feinchemikalien wegen der üblicherweise geringen Produktionsmengen kaum eine Rolle, so wird bei der Massenproduktion der Energieverbrauch zur bestimmenden wirtschaftlichen Größe. Energieeinsparung durch Energierückgewinn, optimierte Prozessführung oder Mehrfachnutzung der Energieströme sind hier die üblichen Maßnahmen. Dabei kommt der Heißdampftrocknung besondere Bedeutung zu, eignet sie sich doch besonders gut zur Energierückgewinnung, da die Kondensationswärme des Abdampfes auf relativ hohem Temperaturniveau (~ 100 °C) vollständig zurückgewonnen werden kann. Handicap ist häufig die notwendige Gleichzeitigkeit des Bedarfs nach dieser Abwärme. Gleiches gilt auch für die prinzipiell nutzbare Abwärme von Verbrennungsanlagen / Kraftwerken. Durch Verbundanlagen in großen Chemieparks ist hier aber noch Verbesserungspotential vorhanden. Der Einsatz von Wärmepumpen in der Trocknungstechnik nimmt in der jüngeren internationalen Fachdiskussion einen relativ großen Raum ein. Interessant ist diese Technologie für Prozesse mit Energiebedarf auf niedrigem bis mittlerem Temperaturniveau und in Ländern / Standorten mit niedrigen Strompreisen. Für die Nutzung nichtfossiler Energiequellen (Sonne, Wind, Wasserkraft) gibt es einen zunehmenden Entwicklungsbedarf vor allem für den Einsatz in Ländern der 3. Welt.

Weiterentwicklung des Apparates "Trockner"

Der Energieumsatz während der Trocknung wird wesentlich durch die Art der Wärmezufuhr bestimmt. Der energetische Wirkungsgrad und die Homogenität der Trocknung hängen bei der konvektiven Trocknung von der Strömungsführung des Wärmeträgers und / oder von der Aufgabe des Feuchtgutes ab, bei der Kontakttrocknung von der Umlagerung des Produktes und bei der Strahlungs- und Mikrowellentrocknung von der Homogenität des Strahlungsfeldes bzw. der Produktumlagerung. Bei allen energieintensiven Prozessen wie z.B. der Sprühtrocknung, der Trocknung in direkt befeuerten Drehrohren oder in Wirbelschicht - Prozessen werden heute schon viele Anstrengungen unternommen, mit Hilfe des Computational Fluid Design (CFD) vorhandene Trockner hinsichtlich Strömungsführung, Trocknungsverlauf und Partikelflugbahnen zu analysieren, um das Trockner - Apparatedesign hinsichtlich Energieumsatz und Produktführung zu optimieren. Da es sich praktisch immer um Zwei-Phasen Strömungen handelt, ist es auch heute noch sehr schwer, vertrauenswürdige Lösungen ohne Validierung im technischen Maßstab zu erarbeiten. Dennoch wird dieses Werkzeug genutzt, Varianten der Strömungsführung für die spätere versuchstechnische Überprüfung „durchzuspielen“. Eine Reihe von Möglichkeiten zur Intensivierung des Wärme- und Stoffaustauschs durch neues Trockner - Design wird von Kudra / Mujumdar [26] beschrieben. Dazu gehören die Erhöhung der Turbulenz durch Ultraschallfelder, die Ausnutzung von Vibration, die Pulsation zur Intensivierung des Wärme- und Stoffaustauschs und dielektrische Felder zur direkten Energieeinkoppelung in das Produkt. Es werden Trocknungsverfahren beschrieben, die z.T. schon den Weg in die Produktion gefunden haben (Wirbelschicht-Sprühgranulations-, Pulsations-Wirbelschicht-Trockner, Heißdampftrocknung, Mikrowellen-Trocknung, Wärmepumpen-Trocknung, etc) und andere, die seit Jahren auf den Durchbruch in der Produktion warten (z.B. Puls Combustion Drying).

Mikrowellen-/Hochfrequenz-Energie, die Wunderwaffe in der Trocknungstechnik?

Viel Forschungsarbeit wird international in die industrielle Anwendung von Mikrowellen-/Hochfrequenzenergie gesteckt, besonders in den Ländern mit niedrigen Strompreisen. Hier kann die durch hohe Investitions- und Instandhaltungskosten relativ teure MW-Technologie interessant werden. Mikrowellenenergie Einsatz lohnt sich immer dann, wenn ein wirtschaftlicher Sondernutzen erreicht wird, der durch konventionelle Mittel nicht erreichbar ist, z.B. die Trocknung von Wärmedämm-Material oder das Aufheizen von Produkt ohne heiße Wärmeübertragungsflächen. Solche Anwendungen findet man zunehmend im Pharma-Bereich zur Vermeidung von Produktschädigungen und -verlusten. Da diese Technologie ständig mit den system-immanenten Problemen der unkontrollierten Ankoppelung (Hot Spots), Funkenentladungen (Verblitzen) und inhomogener Energieverteilung zu kämpfen hat, wird diese Technologie für jeden neuen Einsatzfall Entwicklungsbedarf benötigen. Für Anwendungen im Pharma- und Lebensmittelbereich werden diese Arbeiten am ehesten relevant sein.