Entwicklung der Trocknungstechnologie

Mit der Industrialisierung der Produktionsprozesse wurden wissenschaftliche Methoden für die Steuerung und Optimierung der Herstellungsprozesse notwendig. Quantitative Auslegungsmethoden sparen nun Zeit und Kosten durch Vermeidung empirischen Vorgehens bei der Apparate- und Prozessauslegung sowie beim Energieverbrauch. Zwei Stoßrichtungen zur wissenschaftlichen Durchdringung des Trocknungsprozesses wurden verfolgt: Zum einen wurden der Wärme- und Stofftransport im Feuchtgut selbst, zum anderen die notwendige Energie- und Stoffübertragung zwischen Feuchtgut und Energieträger zum Forschungsgegenstand. 

Welche Mechanismen beherrschen den Feuchtetransport im Produkt?

Feuchtetransport in kapillarporösen Stoffen

Krischer und seine Schule [3] haben in ihren grundlegenden Untersuchungen zum Feuchtetransport in kapillarporösen Stoffen die bis heute akzeptierten Grundvorstellungen erarbeitet. Das Verdienst dieser Arbeiten liegt besonders darin, die wissenschaftlichen Erkenntnisse angrenzender Fachgebiete in ihrer Relevanz für die Trocknungstechnik erfasst und integriert zu haben. Lykov [4] und seine Schule haben etwa zur gleichen Zeit in Minsk ebenfalls Arbeiten zur wissenschaftlich quantitativen Beschreibung der Trocknungsmechanismen durchgeführt, die vor allem im russisch sprachigen Raum angewendet und weiterentwickelt wurden. Schlünder und seine Mitarbeiter [5] entwickelten die Arbeiten der Krischer-Schule konsequent weiter. Sie erarbeiteten – abgeleitet von der thermodynamischen Modellierung der Trennprozesse in der Destillation / Extraktion – die Beschreibung selektiver Trocknungsprozesse in kapillarporösen Feuchtgütern mit Mehrkomponenten-Beladung. Die Untersuchungen bezogen sich sowohl auf konvektive als auch auf die Vakuum-Kontakt- und die Hochfrequenz-/Mikrowellen- Trocknung. Die Kontakt-Trocknung mehrkomponentenhaltiger partikulärer Systeme wurde durch die Entwicklung des Penetrationsmodells wesentlich besser beschreibbar [6]. Die Einführung einer Mischgütekennzahl, die abhängt von messbaren Größen des Trockners und physikalischen Eigenschaften des Schüttgutes, reduziert den Auslegungsaufwand auf die Beobachtung anderer auch heute noch schwer berechenbarer Einflussfaktoren wie z.B. die Krustenbildung, Entwicklung von Zähphasen, „Kindskopfbildung“, etc. 

Feuchtetransport bei der Gefriertrocknung

Die Gefriertrocknung als ein schonender Trocknungsprozess für temperaturempfindliche Produkte lässt sich aufgrund der ausgeprägten Kapillarität der trocknenden Struktur sehr gut auf die Transportmechanismen in kapillarporösen Gütern zurückführen [7]. Die Prozessparameter werden weitgehend von den Produkteigenschaften des gefrorenen Produktes bestimmt. Das weitgehend empirisch entwickelte Verfahren wurde durch die Arbeiten von McKenzie [8] vor allem für den pharmazeutischen Bereich auf eine quantifizierbare Basis gestellt. Oetjen [9] hat mit seinen umfassenden Arbeiten, die Grundlagen für die Auslegung moderner Gefriertrockner liefern, wesentlich zur Durchdringung dieser komplexen Technologie beigetragen. 

Feuchtetransport in Lösungen, Gelen und natürlichen /synthetischen Polymeren

Auf dem großen Gebiet der Lebensmittel- und Kunststofftrocknung wurden wesentliche Arbeiten in den USA und den Niederlanden vorangetrieben. Bei diesen Produkten handelt es sich in vielen Fällen nicht um kapillarporöse Stoffe sondern um Lösungen, Gele und synthetische/natürliche Polymere. Der Stofftransport erfolgt nicht mehr als kapillarer Transport sondern in Form molekularer Diffusion und ist häufig – wegen des Fehlens einer Feststoffmatrix – mit einem Schrumpfungsprozess und internem Spannungsaufbau verbunden. Es wurden völlig neue Ansätze zum Stofftransport benötigt. Mit den grundlegenden Arbeiten von Crank [10] und mit der Free Volume Theorie, die von Vrentas und Duda [11] entwickelt wurde, verfügt man heute über Methoden zur Vorausberechnung von Diffusionskoeffizienten in molekular dispersen Kontinua. Messtechnisch gelingt es inzwischen auch, mit Hilfe der konfokalen Mikro-Raman-Spektroskopie direkt Konzentrationsprofile in dünnen Filmen zu messen und daraus Diffusionskoeffizienten zu bestimmen (Bild 1) [12].

 

Bild 1: Konzentrationsprofile bei der Trocknung einer Toluol-PVAc-Lösung bei 40°C und 0,2 m/s. Messungen mit der Inversen - Konfokalen - Mikro - Raman - Spekroskopie

Mit Hilfe der Stefan-Maxwell-Beziehungen lassen sich die Diffusionsvorgänge auch in mehrkomponentigen Feuchtgütern beschreiben. Deren Phasengleichgewichte können wiederum durch die Arbeiten von Flory und Huggins [13] abgeschätzt werden. Auf dem Gebiet der Lebensmitteltrocknung geht es nicht nur um Konservierung sondern vor allem um den Erhalt des ursprünglichen Aromas. Hier gilt es, selektiv Wasser durch Trocknung zu entfernen – bei gleichzeitiger Zurückhaltung flüchtiger Aromabestandteile in der Produktmatrix. C. J. King [14] und seiner Schule und Thijssen und seinen Mitarbeitern [15] gelang es, die Mechanismen der Aromaretention während der Trocknung theoretisch durch die „selektive Diffusionstheorie“ zu beschreiben. Sie entwickelten diese Theorie für Sprühtrocknungsverfahren und Gefriertrocknungsprozesse, mit dem Ziel, das jeweils wirtschaftliche Verfahren für die gewünschte Produktqualität (Löslichkeit, Aromaerhalt) zu ermitteln. Auf der Basis dieser Arbeiten konnte z.B. sprühgetrockneter Kaffee das Qualitätsniveau gefriergetrockneten Kaffees erreichen. Eine sehr gute Übersicht über diese Verfahren liefert die Arbeit von Coumans, Kerkhoff und Bruin [16]. Erwähnt werden sollen aber auch die Arbeiten von Cairncross [17] zum Trocknungsverhalten von Coatings. Ihm gelang es, die komplexen Vorgänge in einer trocknenden Polymerschicht (Schrumpfung, Aufbau interner mechanischer Spannungen in viskoelastischen Stoffen, Relaxation), die Einfluss auf den Stofftransport und die Phasengleichgewichte nehmen, zu beschreiben und im Modell zu berücksichtigen. 

Trocknung lebt von der Wärme- und Stoffübertragung

Hausbrand [18] wird das Verdienst zugeschrieben, erste quantitative Berechnungen zur konvektiven Trocknung angestellt zu haben. Krischer und seine Schule haben auch die Vorgänge zum Energietransport an das Feuchtgut und den Mechanismus des Stoffübergangs intensiv untersucht. Besonders erwähnt werden soll die einheitliche Darstellung der konvektiven Wärme- und Stoffübertragung für durchströmte Kanäle und umströmte Körper beliebiger Gestalt und Anordnung [19]. Gnielinski kommt das Verdienst zu, diese nur in grafischer Form vorliegenden Zusammenhänge mit Gleichungen beschrieben zu haben, die im Wärmeatlas [24] niedergelegt und so für moderne Berechnungsverfahren nutzbar sind. 

Wärme- und Stoffübertragung in Prallstrahltrocknern

Erwähnt werden müssen auch die Arbeiten von Martin [20], die wesentliche Grundlagen für die Auslegung von konvektiven Prallstrahl-Trockenstrecken in Papiermaschinen und Druck- und Coatinganlagen zur Verfügung stellen. 

Wärme- und Stoffübertragung in partikulären Systemen

Gleichermaßen wertvoll sind die Werkzeuge, die Martin zur Auslegung von Wirbelschicht –Wärmeaustauschern erarbeitet hat [21]. Tsotsas [22] hat mit seinen Mitarbeitern die Methoden zur Auslegung konvektiver Trocknungsprozesse dahingehend verfeinert, dass durch Scale Down aus dem Labormaßstab bzw. Messungen an wenigen Einzelpartikeln die produktspezifischen Trocknungseigenschaften ermittelt wurden. Auf der Basis dieser Messungen kann nun das Scale Up auf den Betriebsprozess mit literaturbekannten Korrelationen zum Stoffaustausch sicher erfolgen. Zerstäubung vergrößert die Wärme- und Stoffaustauschflächen des Feuchtguts und beschleunigt die Trocknung Alle Sprühtrocknungs-, Wirbelschichtsprühgranulations- und Coatingverfahren werden entscheidend vom Zerstäubungsverhalten der Sprühorgane bestimmt. Für die Auslegung dieser Prozesse ist die Kenntnis der Sprühcharakteristik der eingesetzten Flüssigkeitszerstäuber notwendig. Zentrifugalzerstäuber, Druckdüsen oder Zweistoffdüsen erzeugen jeweils unterschiedliche Tropfengrößenverteilungen bzw. Austauschflächen für den Wärme- und Stoffübergang. Auch die Sprühkegelgeometrie ist eine Funktion des Flüssigkeitsdurchsatzes und der geometrischen Eigenschaften des Zerstäubers sowie seiner Betriebsparameter. Der Querschnitt des sich ausbildenden Sprühkegels bestimmt weitgehend die Effizienz des Wärme- und Stoffaustauschs mit dem Trocknungsgas. Walzel [23] hat mit seinen grundlegenden Arbeiten Wesentliches zur Abschätzung dieser Schlüsseldaten geliefert und damit die Auslegung dieser Prozesse sicherer gemacht. 

Der Wärmeatlas

Ein Meilenstein auch für die Trocknungstechnik ist der ständig neu aufgelegte Wärmeatlas [24], der einen großen Teil der notwendigen Informationen zur Auslegung von Trocknungsprozessen – sowohl für den stoffinternen als auch den externen Wärme- und Stoffübergang – bereitstellt.